Verschwommenes Bild einer Zelle

Wie ich als Kind den Holocaust überlebte

Gespräch mit Rozette Kats (NL)
Eine Frau hält ein Foto mit mehren Menschen hoch
Links: Vivienne vom RGH. Sie berichtet von der Gedenkstättenfahrt nach Sobibor im letzten Jahr, in der Mitte Raphaela Kula, Initiatorin, Künstlerin Ostbahnhof Bielefeld, rechts Rozette Kats, die vor einigen Jahren am 27.1. im Bundestag sprach. Foto: Gisela Küster

Rozette Kats überlebte den Holocaust als ihre jüdischen Eltern sie als Baby bei Pflegeeltern versteckten. Ihre Eltern wurden in Auschwitz ermordet. Sie erzählt ihre Geschichte am 28. August vor Schüler:innen des Ravensberger Gymnasiums in Herford. Und am Donnerstag den 29. August in der Justizvollzugsanstalt Herford. Die Gesprächsleitung und die Einführung in das Gespräch übernehmen Raphaela Kula und Fritz Bornemeyer. 

Das Gespräch thematisiert, wie die Niederländerin Rozette Kats, Jahrgang 1942, am Vorabend ihres sechsten Geburtstages erfährt, dass sie das Kind jüdischer Eltern, die den Holocaust nicht überlebt haben, ist. Ihr Onkel, der einzige weitere Überlebende der Familie, vermag nicht, über die ermordeten Verwandten zu sprechen. Ihren Rettern und Pflegeeltern spielt Rozette das fröhliche Kind vor, doch es plagen sie Ängste und mit zunehmendem Alter auch Fragen über das Leben und Sterben ihrer Eltern. Erst Mitte der 1980er Jahre bekommt sie von ihrem Onkel, der schwer erkrankt ist, das Hochzeitsbild ihrer Eltern. Später findet sie heraus, dass circa drei Monate vor der Deportation der Eltern von Westerbork nach Auschwitz-Birkenau ihr Bruder geboren wurde. Es ist ein langer und schmerzlicher Prozess für Rozette Kats, mit dem Schatten der Vergangenheit leben zu lernen, der ihr vor allem durch ein vielfältiges Engagement in der Erinnerungsarbeit auf beeindruckende Weise gelungen ist. Diese Veranstaltung bietet eine persönliche Annäherung an die Frage nach der Bedeutung des Holocaust und des Gedenkens in der heutigen Zeit. Am Gedenktag 27. Januar 2023 sprach Rozette Kats vor dem Bundestag in Berlin.

Unterstützt wird die Organisation durch das Kuratorium Erinnern, Forschen, Gedenken und gefördert durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft und Art at Work e.V.


Rückblick 28.08.2024 / Ravensberger Gymnasium in Herford

Die Q2 des Ravensberger und des Friedrichsgymnasiums hatte heute die Gelegenheit der wunderbaren Rozette Kats zuzuhören.
In beeindruckender Weise schilderte Rozette Kats, was es mit ihr und ihrem Leben gemacht hat, dass sie im Alter von wenigen Monaten von ihren jüdischen Eltern in eine christliche Familie gegeben wurde. Die Eltern wurden deportiert und in Auschwitz ermordet. Erst im Alter von 42 Jahren sah sie zum ersten Mal ein Bild von ihren leiblichen Eltern und erfuhr noch später, dass ein jüngerer Bruder ebenso in Auschwitz ermordet worden ist.

Eine Überanpassung in der untergetauchten Identität als Rita machte sie schließlich krank. Therapie und Treffen mit Menschen, die ähnliche Schicksale hatten, machten sie wieder zu Rozette. „Reden hilft“ und so macht Rozette Kats schon seit vielen Jahren Veranstaltungen in Schulen, Universitäten und auch in Herford, letztes Jahr in der Synagoge, heute in der Aula des Friedrichsgymnasiums und morgen in der Justizvollzugsanstalt Herford.

Vielen Dank für eine besondere Veranstaltung!
 

Rückblick 29.08.2024 / Justizvollzugsanstalt Herford

Eine besondere Veranstaltung fand am 29.August in der Justizvollzugsanstalt mit Rozette Kats statt. Etwa 60 junge Männer und ca. 30 Mitarbeiter*innen und ehrenamtlich Tätige von der JVA Herford hörten konzentriert dem Bericht von Rozette Kats zu.

Rozette Kats beschrieb in sehr anschaulicher und emphatischer Weise die Brüche in ihrem Leben.

Im Alter von wenigen Monaten wurde sie als Tochter jüdischer Eltern in eine christliche Familie gegeben. Einen Tag vor ihrem 6. Geburtstag erfuhr sie, dass ihre Eltern ermordet und sie nicht Rita sondern Rozette heiße. Das konnte das kleine Mädchen nicht verstehen. Fortan war sie überangepasst und stellte eigene Bedürfnisse zurück. Neinsagen oder Konflikte aushalten wurde ganz schwierig. Die Begriffe Krieg, Holocaust verursachten bei ihr Bauchweh, sie wich einer Auseinandersetzung auch in der Schule aus.

So füllte sie im Laufe der Jahrzehnte ihren „Eimer“ bis sie zusammenbrach, durch Therapie und Treffen mit Menschen, denen Ähnliches widerfahren war, gesundete sie. Fehlschläge, die es bislang in ihrem Leben gegeben hatte, wurden verstanden, sie wurde selbstbewusst und ging in Schulen, Universitäten und jetzt auch in die JVA.

Berührend war es, dass einer der Insassen der JVA am Ende des Berichts das Publikum aufforderte, Rozette dafür zu applaudieren, dass sie ihren Weg gefunden hatte.

Eine von Tiefe und Empathie geprägte Veranstaltung in einem neuen Format, die für alle Beteiligten sinnstiftend war.

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Impressionen

von der Veranstaltung vom 28.08.2024 und vom 29.08.2024Fotos: Gisela Küster / Nicole Sonnenbaum